Die AllerFrauen

Weihnachtsmarkt in Hobo

Leseprobe


1. Dezember

Nahezu an jedem Abend trafen sich Willi, Hartmut, Michael, Werner und Christian in der Dorfkneipe von Hohnebostel, um nach getaner Arbeit den Feierabend mit einem oder auch zwei Glas Bier zu beschließen. Zugegeben, manchmal wurden auch mehrere daraus und zu den Bieren wurden noch Schnäpse gereicht. Ein Gedeck, wie sie es nannten.  

Auch an diesem Abend war es so. Müde von der Arbeit, aber durchaus noch einem Treffen zugeneigt, hatten die fünf sich an diesem ersten Dezember wieder bei der Wirtin Moni eingefunden. 

Willi, der Tischler, war immer der Erste. Wie immer kam er in die Gaststube, wenn es dunkel zu werden begann, und besetzte den runden Tisch, damit niemand anderes sich dort niederließ. Wenn ihm dabei doch einmal ein Gast zuvorgekommen war, dann konnte das nur ein Fremder sein. Ein Ortsansässiger hätte es nicht gewagt. Der unrechtmäßige Platzeinnehmer wurde dann so lange von dem grimmig aussehenden Willi angestarrt, bis er ging oder sich einen anderen Platz suchte.  Als nächstes kam meist Hartmut. Er war Anfang 60 und hinkte ein wenig. Schnell setzte er sich zu Willi. Langes Stehen war ihm ein Graus. Die anderen drei 

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trudelten in unregelmäßiger Reihenfolge ein. Ohne auf eine Bestellung zu warten, stellte Moni jedem sofort ein Bier vor die Nase.  

„Tjo, do sünd wi nu wedder.“ Christian versuchte ein Gespräch zu beginnen.  

„Tjo,tjo, tjo“, antwortete Michael und drehte versonnen das Bierglas zwischen Daumen und Zeigefinger. 

„Tjo“, sagte jetzt auch Werner und nickte. 

Was sollte man sich auch noch erzählen, hatten sie sich doch gestern erst gesehen. 

Nach einer Pause, in der alle fünf einen Schluck getrunken hatten, versuchte Christian es noch einmal: „Is jetzt bald Wiehnachten.“ 

„Tjoo“, sagte Willi. „Tied geiht hen.“ 

„Moni“, rief Werner. „Dann bring üsch man noch mol `n Gedeck.“ 

Moni hatte die Biere schon vorgeschenkt, also brauchten ihre Gäste nicht lange zu warten. 

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„Na?“ Moni blickte fragend in die Runde. „Was ist denn mit euch? So schweigsam kenne ich euch gar nicht. Habt ihr euch nichts mehr zu erzählen?“ 

„Ach Moni“, sagte Willi, „kumm man erstmol in use Oller. Do gift dat nix mehr tau vatellen. Bi jück junge Lüe, do is jeden Dach wat los, ober bi üsch passiert nix mehr. For use Oller is doch hier upn Dörpe nix mehr los.“ 

„Nun ja“, antwortete Moni bestimmt. „Aber für sein Glück ist noch jeder selbst verantwortlich. Und das nichts los ist, das stimmt doch nicht. Nächsten Sonntag ist zum Beispiel Kaffeestube im Allerhaus in Langlingen. Da kann man doch mal hingehen. Dann trifft man auch mal andere Leute und hat hinterher auch was zu erzählen.“ 

„Ach, dat is doch wat for Frunslüd- Kaffe drinken un Kauken äten un so wat.“ Werner schnaufte verächtlich. „Goh mick los. Un hinerher, do kummt miene Helga no Hus un weit allet wat so in Dörpe vatellt wart. Wer wieder mol ´n niet Kleed hat oder wecke Nachbor nich mehr tauhus is, weil hei in Urlaub feuert is. Oder schlimmer noch, wekke Fohrt sei mit de Landfruens mocken well.“ Die anderen 

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vier aus der Runde hatten während seiner Rede zustimmend genickt.  

Moni war fassungslos. „Merkste was, Werner?  Ihr sitzt hier und blast Trübsal, weil angeblich nichts los ist in unserem Dorf und ihr euch nichts mehr zu erzählen habt, und wenn die Frauen was unternehmen, dann ist es auch wieder nicht richtig? Euch ist doch nicht mehr zu helfen.“ Moni schüttelte den Kopf und verschwand in der Küche.  

„Hm.“ Christian strich sich nachdenklich mit der Hand durch seinen dunklen Bart. „Recht hat sei jo. Velleicht schöt wi uck mol wat daun. De Winter fängt doch grod an. Un wenn hei genauso lang duat wi de leste, dann langwielt wi üsch bannich, dat sech ick jück.“ 

„Do kannst Recht hebm.“  Michael war der Jüngste in der Runde. Eigentlich konnte er gar kein Plattdeutsch sprechen. Aber er versuchte es immer, weil er sich den anderen anpassen wollte. Manchmal kamen dabei lustige Worte heraus, aber seine Tischgenossen vermieden es, ihn zu korrigieren und verdrehten höchstens mal die Augen, wenn es dann doch zu dumm war, was Michael gerade über die 

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Lippen kam. „Wi höt gor nix worup wi üsch freun könnt.“ 

Willi schnaufte: „Freun! Du kannst dick jo up Wiehnachten freun. Wi de Kinners. Kannst jo uck jeden Dach n Dörchen upmokken, un Schokolode rutgriepen. Nee, in use Oller is dat vorbi mit den „Freun“. Ick freu mick, wenn ick hier süttn kann un krich mien Gedeck. Moni!“ Er winkte Moni zu und kreiste mit dem Finger über den Tisch. „Noch`n Gedeck!“  

Moni schüttelte lächelnd den Kopf. „Kommt sofort.“ Nachdem sie die Getränke zwischen den nun wieder schweigenden Männern verteilt hatte, zog sie sich einen Stuhl ran und setzte sich dazu. Die Männer sahen sie erstaunt an. Dass Moni sich zu ihnen gesellte, kam selten vor. 

„Nun“, sagte Moni, „jetzt wo wir unter uns sind, will ich euch sagen, dass ich die Wirtschaft aufgebe. Ihr seht ja selber, dass hier nichts mehr los ist.“ Sie zeigte auf den leeren Gastraum vor der Theke. „Von so treuen Gästen wie euch habe ich leider zu wenige, um davon leben zu können. Anfang des 

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kommenden Jahres habe ich eine neue Arbeitsstelle. Deshalb schließe ich zum Ende Dezember.“ 

„Dat is jo mol wat niet!” Werner war entsetzt. „Dat mut ick glicks miene Helga vatellen. Schrief an!“ Er sprang auf und rannte raus. Die vier anderen sahen aus wie ein Häufchen Elend. 

„Und wo sollen wir uns dann treffen?“ Vor Schreck vergaß Michael plattdeutsch zu sprechen. 

Christian murmelte bei sich: „Wir brauchen einen Plan